Klangkunst-Workshop

Hört hört!

Workshop mit Klangkünstlerin Mirja Wellmann

Schülerinnen und Schüler sitzen auf dem Boden, Mirja Wellmann steht vor ihnen

Elf Schülerinnen und Schüler sitzen im Kunstraum. Auf jedem Arbeitsplatz liegt ein mit Folie bespanntes Klemmbrett samt Griffel. Bis hierhin eine alltägliche Situation. Was dann passiert, ist jedoch weniger alltäglich.

Eine Tafel mit einem Hörprotokoll

Wo sonst beispielsweise zeitgenössische Künstler des 20. Jahrhunderts auf dem Lehrplan stehen, beschäftigen sich die Schüler mit dem Phänomen des Hörens. Anlass ist ein Workshop mit der Klangkünstlerin Mirja Wellmann. Er bildet eine Etappe auf dem Weg zur Ausstellung „Hörwelten“ zum 100-jährigen Jubiläum der blista. Der Workshop wurde an einem Vormittag Mitte Oktober in der blista, unterstützt von den Kunstlehrerinnen Ulrike Schönhagen, Frau Boll und Karin Echternacht, doppelt durchgeführt: Einmal mit Klasse 12, einmal mit Klasse 7.

Eine Schülerin steht mit einer Tafel vor einer Tür

Wellmann, in Berlin geboren, einige Jahre in Finnland aufgewachsen und nach Stationen in München und Stuttgart mittlerweile auf der Schwäbischen Alb heimisch geworden, widmet sich seit vielen Jahren dem Zusammenspiel von Hören, Akustik und Raum. Sie erstellt teilweise tagelange Hörmanuskripte, erkundet den Weg des Geräuschverursachers zum Ohr und erforscht Klänge.

Eine Schülerin und ein Schüler beim Modellieren

Gemeinsam mit den blistanern nähert sie sich dem Thema auf spielerische Weise. Zum Einstieg erzeugt reihum jeder Teilnehmer ein Geräusch – mit seinem Körper, mit einem Gegenstand im Raum oder mit einer Bewegung. Die Kinder und Jugendlichen übersetzen es auf dem Klemmbrett in eine geriffelte Skizze, nach und nach füllen sich die Folien.

Danach geht die Gruppe hinaus an zwei Stellen auf den blista-Campus, lauscht dort für je fünf Minuten den Geräuschen und Tönen der Umgebung und erstellt ein Hörprotokoll.

Den ersten Ort hat Wellmann ausgesucht, der zweite ist ein Lieblingsort der Schüler. Beim Workshop mit der 12. Klasse geht es in ein vom Brummen der Schwimmbadtechnik dominiertes Eck im Gang oberhalb der Sporthalle. Die 7. Klasse wählt einen Flur mit zahlreichen Kunstkacheln an den Wänden. Die Gespräche zwischen der Künstlerin und den Schülern über die gemachten Hörerfahrungen gewinnen an Vielfalt.

„Welche Form hat das Geräusch? Ist es eckig? Rund? Gezackt?“ – mit Fragen wie diesen regt Wellmann immer wieder zu neuen Perspektiven an. Zum Abschluss der Doppelstunde modellieren die Schülerinnen und Schüler ihren Lieblingsort, die Erinnerungen an die Töne werden so zu Tonkreationen.

Eine Schülerin modelliert ihren Lieblingsort
Eine Schülerin modelliert ihren Lieblingsort

Die Reaktionen sind vielfältig, grundsätzlich positiv und reichen von „Die Geräusche haben mich berührt“ über „Ich habe gemerkt, wie faszinierend Stille sein kann. Das ist eine ganz besondere Form der Akustik“ und „Durch die Hörprotokolle wird das Alltägliche interessant“ bis hin zu „Ich schätze Ihre Arbeit sehr, aber ich kann dem nichts abgewinnen.“

Wellmann wird diesen Erfahrungsschatz nun in die Konzeption der Ausstellung einfließen lassen, die als Kooperationsprojekt vom Fachdienst Kultur der Stadt Marburg, der blista und dem Marburger Kunstverein realisiert wird. Dort wird „Hörwelten“ vom 2. Juli bis 18. August 2016 zu sehen sein und lädt sehende, sehbehinderte und blinde Menschen gleichermaßen ein, eigene Hörerfahrungen zu machen, mit dem Körper Geräusche zu erzeugen und sich im Gehörten zu begegnen.

Darüber hinaus bietet die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) konzipierte „Hörtour Marburg“ die Möglichkeit, im städtischen Raum sechs akustisch interessante Orte auf ganz neue Art und Weise kennen zu lernen.

Text und Fotos: Jürgen Mai, Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit