20 Jahre Abi
- hat sich da auch wirklich niemand verrechnet?
Bericht über das Treffen des Abiturjahrgangs 2003 auf dem blistaCampus
Sebastian Decker | Es gibt im Leben Momente, die man einfach nie vergisst. Der erste Schultag, der erste Tag in der Uni, in der Ausbildung oder auch im Job sind gute Beispiele. Doch auch die letzten Tage haben es oft wirklich in sich. Das mussten auch rund 30 ehemalige Schüler*innen der Carl-Strehl-Schule an der blista im Juli 2003 erfahren. Sie wurden zu dieser Zeit mit ihren Abschlusszeugnissen und jeder Menge Selbstbewusstsein ins Leben geschickt. Seit diesem Tag hatten sie sich in der großen Runde von damals nicht mehr gesehen. Nur einige von ihnen hatten den Kontakt bis heute aufrechterhalten. Nach zehn oder auch nach 15 Jahren dachte der eine oder die andere bestimmt an das historische Ereignis. Doch es passierte weiter nichts. Zum 20. Jubiläum sollten den Gedanken auch wirklich Taten folgen.
Das Orga-Team legt los
Das Team, bestehend aus Nathalie Sorichter, Roland Dietze und Sebastian Decker (dem Autor dieser Zeilen) traf sich zu ersten Gesprächen live und in WhatsApp-Calls zusammen. Wir wohnen alle drei noch in Marburg und sind immer noch befreundet. Die Abizeitung wurde hervorgeholt und schon ging es los mit der Recherche. Wer ist wo gelandet? Von wem gibt es noch Telefonnummern und wer ist womöglich völlig verschollen? Welche Lehrer*innen werden eingeladen? Wir waren uns einig, dass das Treffen auch an der blista stattfinden sollte. Wir entschieden uns dafür, die Leiter*innen der Leistungskurse einzuladen. Auch die ersten Klassenlehrer*innen aus den Anfangsjahren sollten mit dabei sein. Nach dem ersten Telefongespräch mit der Öffentlichkeitsarbeit der blista war alles klar. Das Treffen sollte am Samstag, den 17.06. stattfinden und mittags mit einem Empfang im neuen Bielschowsky- Konferenzraum beginnen. Bei Kaffee und Kuchen wollten wir uns austauschen und eine Runde auf alten Spuren über den Campus wandeln. Anschließend sollte alles im Restaurant Colosseo bei italienischem Essen und guten Getränken ausklingen. Es gab also viel zu tun.
Wir finden uns wieder
Mundpropaganda und Social Media sei Dank, fanden wir die meisten Alumni schnell wieder. Das Interesse war riesig und die ersten Zimmerbuchungen ließen nicht lange auf sich warten.
Leider konnten wir nicht alle ausfindig machen. Über manche gab es einfach keine Infos im Netz, andere hatten die Telefonnummer gewechselt oder kein Interesse und wieder andere wollten einfach nicht mehr gefunden werden. Rund 20 Alumni hatten sich schließlich angemeldet.
Die Vorfreude war groß. Vorher hatten wir noch eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der sich auch schon fleißig ausgetauscht wurde. Dadurch konnten auch diejenigen von uns etwas vom Treffen mitbekommen, die gerne gekommen wären, aber leider keine Zeit hatten. Wir merkten schnell, dass so ein Treffen längst überfällig war.
Jetzt gehts los!
Der Tag war schließlich da und es ging los. Wir trafen uns vor dem Gebäude am Schlag 4, dass komplett barrierefrei umgebaut worden war. Das alte Haus war damals unser Oberstufengebäude. Die Begrüßungen waren meist stürmisch und herzlich. Schnell merkten wir, dass bei vielen von uns die Haare grauer geworden oder bei einigen Herren der Schöpfung ganz ausgefallen waren. Das tat dem Spaß aber gar keinen Abbruch. Die Stimmen hatten sich oft nicht so sehr verändert. Der Bielschowsky-Raum befindet sich jetzt ganz oben im Schlag 4. Zu unserer Zeit war er noch am Schlag 8 gewesen. Die Ausstattung war auf dem neuesten Stand und die Klimaanlage spendete angenehme Kühle an diesem Sommertag.
Aus uns ist was geworden
Wir hatten schon lange vor dem Treffen beruhigt festgestellt, dass aus uns allen etwas geworden ist. Die damaligen Verantwortlichen innerhalb der blista können also ganz entspannt sein. Einige von uns sind zum Beispiel im Journalismus, im Bereich Psychologie und soziale Arbeit, in der Entwicklung barrierefreier Medien, in der Verwaltung in Bundes-und Landesbehörden oder auch in der Physiotherapie tätig. Einige wohnen auch nach wie vor in Hessen. Sie haben in Kassel, Marburg oder im Rhein-Main- Gebiet ihr berufliches und privates Glück gefunden. Doch auch die Region Berlin-Brandenburg war vertreten. Auch aus der Schweiz und von der Insel Fehmarn im hohen Norden hatten sich Alumni auf den Weg nach Marburg gemacht.
Historische Zitate und aktuelle Entwicklungen
Nachdem ich uns alle begrüßt hatte, begann das Programm. Herr Audretsch, der derzeitige Schulleiter, begrüßte uns. An einige Gesichter konnte er sich noch gut erinnern, denn er leitete unseren Mathe-LK. Er hatte ein Exemplar unserer Abizeitung aus dem Archiv hervorgeholt und präsentierte uns einige unserer damaligen Zitate über ihn und andere Lehrer*innen. So starteten wir richtig launig ins Programm. Außerdem unterhielten wir uns mit ihm darüber, wie sich der Unterricht in den letzten 20 Jahren verändert hat. Notebooks und Braillezeilen sind aus den Klassenräumen nicht mehr
wegzudenken und auch der Unterricht in den Naturwissenschaften hat sich grundlegend verändert. Hier kommt mittlerweile sogar der 3D-Drucker zum Einsatz. Mit ihm werden zum Beispiel sogenannte MuLIs, multimediale Lerninhalte hergestellt. Wir konnten sie auch bestaunen und waren begeistert. Natürlich ist auch das Thema Inklusion in der blista präsent. Seit sechs Jahren werden blinde, sehbehinderte und sehende Jugendliche gemeinsam unterrichtet. Außerdem komplettiert eine Montessori-Schule mit Kinderhaus die Gemeinschaft auf dem Campus. Wir wollten natürlich auch von Peter Audretsch wissen, wie es unseren ehemaligen Lehrer*innen geht. Sie waren nämlich nicht zu unserem Treffen gekommen. Wir erfuhren, dass die meisten von ihnen schon lange in Rente sind und manche den Kontakt zur blista mittlerweile ganz abgebrochen haben. Wir konnten die Erklärung zwar nachvollziehen, fanden es aber trotzdem schade, dass sie nicht da waren und nur wenige von ihnen offiziell abgesagt hatten.
Nach einer kurzen Kaffeepause schaute Patrick Temmesfeld, der Vorsitzende der blista, bei uns herein. Auch er hatte viel über die Entwicklungen der letzten 20 Jahre zu berichten. Dazu gehörte die Weiterentwicklung der IT-Ausbildungsgänge, die Einführung der Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt in Marburg und am neuen Standort in Frankfurt und nicht zuletzt die Weiterentwicklung der barrierefreien Medien für Schule und Ausbildung.
Historische Ton- und Bilddokumente
Nach den Infos am Nachmittag gab es noch mal ein gutes Stück Nostalgie für Auge und Ohr. In den unendlichen Weiten meiner privaten Audio- und Video-Schätze hatte ich noch eine alte VHS-Kassette gefunden. Auf dem Video wurden damals alle Schüler*innen unseres Jahrgangs bei einer Alltagstätigkeit ihrer Wahl gefilmt. Manche von uns kochten gerade ihr Lieblingsgericht, joggten an der Lahn entlang oder scannten ein Buch ein. Auf diese Weise waren auch diejenigen noch mal zu sehen und zu hören, die nicht zum Ehemaligentreffen gekommen waren oder die wir nicht mehr gefunden haben. Außerdem konnten wir noch mal an unseren Mitschüler Markus Mauerer erinnern, der bereits vor neun Jahren verstorben ist. Der Film wurde übrigens seinerzeit von Herrn Sparenberg gedreht, der ebenfalls schon lange nicht mehr lebt. Wir hatten viel Spaß mit den Bildern und Tönen.
Etwas Bewegung am Schluss kann nicht schaden
Bei der Campusführung am Schluss gab es viel zu entdecken. Die neuen Gebäude mit ihren modernen Arbeitsplätzen brachten alle zum Staunen. Eine Teilnehmerin sagte wörtlich: „Hier möchte ich gerne noch mal Schülerin sein“. Ein großes Highlight für viele von uns war aber auch der Eintritt in das Schulgebäude am Schlag 6A. Hier begann für einige von uns im September 1996 die Laufbahn an der blista. Der erste Klassenraum hatte sich gar nicht so sehr verändert. Es hallte immer noch so wie früher. Tische und Stühle waren erneuert worden. Auch der Bereich beim Sekretariat hatte sich kaum verändert. Im Gebäude roch es auch noch so wie früher. Ich glaube, spätestens jetzt waren wir wieder mehr als 20 Jahre jünger.
Fazit
Wir hatten einen tollen Nachmittag auf dem blistaCampus. Ein Teilnehmer unseres Treffens brachte es auf den Punkt: die blista war schon in den Neunzigern der Mercedes Benz unter den Förderschulen.
Man kann sagen, dass sie noch lange kein Oldtimer ist. Im Gegenteil, der Mercedes wird sicher viele weitere Jahre lang positiv in die Zukunft fahren. Unser Jahrgangstreffen haben wir dann im Restaurant Colosseo fortgesetzt. Für den harten Kern der Gruppe endete es stilgerecht an der Hotelbar. Auch ich gehörte dazu. Es hat uns allen großen Spaß gemacht und eines steht fest: wir kommen wieder. Nicht erst in 20 Jahren.