Buchtipps
Kinderbuch – Das grüne Königreich
Das grüne Königreich ist eine Gemeinschaftsproduktion von der in Colorado lebenden Autorin Tammi Hartung und der bekannten deutschen Kinderbuchautorin Cornelia Funke. Und darum geht es in dem Buch, das sich an ein Lesepublikum ab zehn Jahre richtet: Die im ländlichen Maine wohnende zwölfjährige Caspia soll die gesamten dreimonatigen Schulferien im New Yorker Stadtteil Brooklyn verbringen, da ihr Vater dort als Bauarbeiter ein zehnstöckiges Gebäude errichten helfen soll. Großstädte sind laut, dreckig und es wimmelt dort nur so von Menschen – und im Sommer kann es extrem heiß werden.
Caspia ist alles andere als begeistert. Dies ändert sich aber schnell, als sie in der von ihren Eltern angemieteten Wohnung „in einer alten Kommode die Briefe eines blinden Mädchens, das vor langer Zeit an der Seite ihres Botaniker-Vaters die Welt bereiste“, entdeckt. Briefe, die dieses Mädchen namens Rosalinde an ihre ältere Schwester Minna geschrieben hatte. „Jeder Brief beginnt mit einem Pflanzenrätsel.“ Bei der Lösung der Rätsel helfen Caspias Freundinnen in Maine und die neuen Freunde, die sie in Brooklyn kennenlernt. Sie macht sich sogleich in Brooklyn auf die Suche nach den Pflanzen in Rosalindes Rätseln. Während sie die großstädtische Umgebung durchstreift, will ihre Mutter die freie Zeit in Brooklyn endlich dazu nutzen, den Traum eines eigenen Kochbuchs zu realisieren. Dafür belegt sie exotische Kochkurse und versucht anschließend, Caspias „Pflanzenentdeckungen“ in ihren Rezepten kreativ zu verarbeiten. Und so schlägt Caspia nach und nach Wurzeln an einem Ort, von dem sie es nie erwartet hätte.
In Kinderbüchern haftet der Welt oft etwas Zauberhaftes, Magisches an. Eine Welt gemacht für kleine Entdecker*innen. Geschäfte dienen hier nicht allein der Umwandlung von Ware in Geld, sondern sind Orte voller Kreativität und Mystik. Geführt werden sie von Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen, Menschen mit ihren kleinen Geheimnissen, denen etwas Exotisches anhaftet. Die Stadt als solche ist ein großer Abenteuerspielplatz. Auch wenn die Geschichte auf den ersten Blick etwas retro zu sein scheint, ist das Smartphone aus ihr nicht wegzudenken – klar, es wird hier nicht zum Zocken oder zur Dauerberieselung genutzt, sondern es dient der Vertiefung und der Festigung von realen Freundschaften und der Bildung.
Ein Rätsel behalten die Autorinnen aber für sich:
Wer hat die im Buch in einer schönen Kinderhandschrift gehaltenen Briefe Rosalindes eigentlich geschrieben? Das blinde Mädchen kann es ja nicht gewesen sein. Vielleicht dachten sie sich aber auch, dass sich darüber eine junge Leseratte bestimmt noch keine Gedanken macht, weil sie ja noch nichts von der Brailleschrift gehört hat. Na, wenn das mal keine gelungene Überleitung zum nächsten Buch ist.
Historisches Drama - "Eine Fingerkuppe Freiheit"
Thomas Zwerina erzählt in seinem Roman "Eine Fingerkuppe Freiheit" die Geschichte, nein das Drama um Louis Braille, der mit drei Jahren durch ein Missgeschick in der Sattlerwerkstatt seines Vaters erblindete. Der im Januar 1809 in Coupvray geborene Louis durfte durch das Mentoring eines Honoratioren des Ortes die Dorfschule besuchen, die ihm aber nicht die Möglichkeit bot, seine Begabungen voll zu entfalten. Mit zehn Jahren wechselte er auf das erste Blindeninternat Frankreichs nach Paris. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Französische Revolution und die napoleonischen Kriege noch nicht weit zurück. Die gesellschaftlichen Ressourcen waren knapp und umkämpft, die Lebensbedingungen oft prekär, die Unterkünfte nicht selten feucht und kalt. So kam es, dass das Blindeninstitut in Paris für Louis Braille Ausgangspunkt für seine „Unsterblichkeit“ und Todesfalle zugleich wurde. Louis traf auf eine Institution, die es zwar gut meinte, der aber das eigentliche Werkzeug zur umfassenden Bildung ihrer blinden Klientel noch fehlte – eine geeignete Schrift. Auf Basis bereits bestehender Vorbilder, u.a. der Nachtschrift von Charles Barbier, von der Louis im zarten Alter von elf Jahren Kenntnis erhielt, tüftelte der Jungspund die nächsten Jahre an einer praktikableren Schrift, die ihm und den anderen blinden Schüler*innen endlich eine umfassende Teilnahme am Bildungsprozess ermöglichen sollte. 1825 (Achtung: 200jähriges Jubiläum!) war es dann soweit, Braille ging mit seiner Erfindung an die Öffentlichkeit. Drei Jahre später folgte eine Notenschrift für Blinde. Mit seiner Erfindung, mittlerweile selbst Lehrer am Institut, kam Braille einigen der sehenden Lehrer ins Gehege, vor allem dem stellvertretenden Direktor Defau, der an der Verbesserung der bisher benutzten Reliefschrift für Blinde arbeitete und folglich gegen Brailles Erfindung intrigierte. Eine Schrift von Blinden für Blinde, die die Sehenden außen vorließ, das war dann doch etwas zu viel des Guten. Als Pierre- Armand Defau 1840 zum Direktor des Instituts aufstieg, verbot er die Nutzung der Braille-Schrift kurzerhand im Unterricht. Braille setzte sich, bereits von Krankheit geschwächt, weiterhin unverdrossen für seine Erfindungen ein und konstruierte zusammen mit seinem Bekannten Foucault einen Apparat, der es Blinden ermöglichte, selber Korrespondenzen zu verfassen. Louis Braille sollte durch seinen frühen Tod - er starb im Januar 1852 an Tuberkulose - den unaufhaltsamen internationalen Siegeszug seiner revolutionären Erfindung nicht mehr miterleben. 1850 wurde die Brailleschrift zur offiziellen Schrift an allen französischen Blindenschulen, einige Jahrzehnte später wurde sie auch in Deutschland eingeführt – heute wird sie weltweit genutzt. Thomas Zwerina lässt in Eine Fingerkuppe Freiheit Louis Braille noch einmal lebendig werden.
Sowohl „Das grüne Königreich“ als auch „Eine Fingerkuppe Freiheit“ gibt es als Hörbücher in der Leselust-App der „Deutschen Blinden-Bibliothek“ (DBB). https://katalog.blista.de