„Meine Eltern sind blind, aber sonst sind wir ’ne ganz normale Familie“
Willi Weitzel und die blista bei „3 Tage Marburg“
Rudi Ullrich* 300 Zuschauer vor einer Open-Air-Bühne am Sonntagmittag im Marburger Schlosspark. Es ist mucksmäuschenstill. Alle verfolgen gespannt über eine Stunde, was da auf der Bühne vor sich geht. Das ist schon eher ungewöhnlich, aber noch erstaunter ist man, wenn man erfährt, dass ein Großteil dieser Zuschauer Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter sind. Und wer schafft so was? Willi Weitzel, unter anderem bekannt aus der Sendung „Willi will‘s wissen“. Aber Willi ist an diesem Tag nicht allein. Er hatte sich Verstärkung mitgebracht. Zusammen mit den blista-Mitarbeitern Wencke Gemril, selbst blind und Mutter von drei sehenden Kindern, und Manfred Duensing von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit geht’s mit den Kindern zusammen auf eine Entdeckungsreise. Wie ist es denn im Alltag, blind zu sein? Wie orientiert man sich, wie findet man die richtige Hose, wie macht man sich Notizen, gibt’s auch Spiele für blinde Kinder …?
Wie funktioniert denn so ein weißer Blindenstock, wollte Willi Weitzel von Wencke Gemril wissen, und probierte es auch gleich unter der Augenbinde am Bühnenrand aus. Und wie klappt das mit dem Geschichtenvorlesen vor dem Einschlafen? „Da produzieren wir zum Beispiel an der blista Bilderbücher, die von sehenden und blinden Kindern gemeinsam angesehen und auch von blinden Eltern vorgelesen werden können, erzählt Wencke Gemril und zeigt als Beispiel „Die Raupe Nimmersatt“.
Die 11-jährige Emmilie war so mutig, auf der Bühne das Blindenschriftalphabet zu erkunden, und Erik bekam eine Augenbinde und suchte mit den Fingern auf dem Globus Afrika, was er auch erstaunlich schnell fand. Manfred Duensing erklärte wie Blindenfußball funktioniert und spielte mit einigen Kindern mit einem Klingelball. Dann holte Willi Wenckes Kinder auf die Bühne und wollte wissen, ob Mama nett ist, wie sie mit ihren Eltern klar kommen und was bei ihnen zuhause besonders ist. Myxin sagte: „Meine Eltern sind beide blind, aber sonst sind wir eine ganz normale Familie.“ Besonders gespannt hörten die Zuschauer zu, als Willi fragte, ob die Kinder ihren blinden Eltern auch Streiche spielen würden. Die Kinder hielten sich da lieber bedeckt. Ihre Mutter wusste aber zu berichten, dass die Kinder beim Essen am Tisch manchmal heimlich Hefte anschauen oder ans iPad gehen würden, aber dass das den Eltern in den meisten Fällen nicht verborgen bleibe.
Große Augen bekamen die Kinder, als Willi einen echten Puma ankündigte. „Jetzt kommt David Georgi mit seinem „Puma“ zu uns. Einigermaßen erleichtert mit strahlenden Augen begrüßten die Kinder dann „Puma“, den Blindenführhund, und ließen sich erzählen, wie so ein Hund ausgebildet wird, was man für Kommandos braucht und was er genau kann. Die Stunde verging wie im Flug und nicht nur die kleinen Zuschauer waren sehr angetan von der Veranstaltung.
Möglich gemacht hatte das die Drogeriekette „dm“ und ihr Gebietsleiter Paul Adolf, die aus Anlass des 10jährigen Bestehens der Filiale in Marburg ein großes Kinderfest im Rahmen von „3 Tage Marburg“ veranstaltete und als Höhepunkt Willi Weitzel engagierten. Und als es darum ging, was Willi mit den Kindern unternehmen sollte, war bei dem gebürtigen Marburger schnell die Idee geboren, Kontakt mit der blista aufzunehmen und gemeinsam ein Programm auf die Beine zu stellen. Scheinbar keine schlechte Idee.
[Fotos: Jan Bosch]