Schulabschluss und dann? Mut zum Studium! mit ArbeiterKind.de
Edeltraud Niehoff | Während meiner aktiven Berufstätigkeit in der blista habe ich viele junge Menschen in meinen Wohngruppen kennengelernt, die – wie andere Schüler*innen an der Regelschule auch – oft nicht wussten, was sie mit ihrem schulischen Abschluss machen sollten. – Manche konnten sich nicht entscheiden bei dem riesigen Studienfächerangebot, manche trauten sich ein Studium nicht zu, viele wussten aber auch gar nicht, ob die eigene Familie ein Studium überhaupt gutheißen würde oder gar finanziell unterstützen könnte. – Diese Themen waren oft sehr heikel und angstbesetzt und begleiteten die jungen Menschen am Tage ihrer schulischen Abschlussfeiern aus der blista hinaus … und mir war es trotz aller guten Vorbereitungsgespräche ein Anliegen, ihnen was „Gutes“ mit auf dem Weg zu geben. Dies war mir immer besonders wichtig, wenn ich wusste, dass sich die jungen Erwachsenen in eine fremde Stadt aufmachen wollten und die eigene Familie ihnen wenig oder gar keine Unterstützung geben konnte.
Und dann habe ich von der ehrenamtlichen Initiative „Arbeiterkind.de – für Alle, die als Erste in ihrer Familie studieren wollen“ gehört und war begeistert, dass ich den Schulabgänger*innen Kontaktdaten dieser Organisation mitgeben konnte für eine ihnen fremde Stadt: ein Anlaufpunkt um Fragen zu stellen, Kontakte zu knüpfen, Hilfe und Rat zu bekommen und vielleicht einen Anker in Not zu haben.
Daraus ist dann die Idee entstanden, im Rahmen des Berufsorientierungs-Tages den Schüler*innen der blista von Arbeiterkind.de und den Unterstützungsmöglichkeiten zu erzählen; wir sind nun schon seit 2014 regelmäßig dabei und freuen uns über darüber, dass wir mit der Carl-Strehl-Schule eine sehr gute Kooperation aufbauen und sie 2016 auch als Partnerschule gewinnen konnten.
Wir nennen uns „Arbeiterkinder“ weil unsere Familien keine Hochschulerfahrung haben und uns nicht dabei helfen konnten, uns in der Uni zurechtzufinden. Wir sind noch Studierende oder ehemals Studierende und wissen, wie schwierig es ist, sich wertvolle Informationen und Orientierungshilfen zu beschaffen. Daher möchten wir unser eigenes Wissen denen zur Verfügung stellen, die davon profitieren können. Ziel ist es, den Vorsprung auszugleichen, den Kinder aus Akademiker-Familien haben, um eine gerechtere Ausgangssituation für alle zu schaffen. Es ist leider nach wie vor so, dass die soziale Herkunft oft darüber entscheidet, welchen Ausbildungsweg Kinder und Jugendliche wählen.
Materielle Probleme spielen häufig eine Rolle bei der Entscheidung gegen ein Studium. Finanzierungsmöglichkeiten wie Stipendien sind oft nicht bekannt; es herrscht die Vorstellung, nur mit überdurchschnittlichen Noten überhaupt eine Chance zu haben. Dass es auf viele Details ankommt und beispielsweise auch soziales Engagement sehr viel zählt, wissen viele nicht.
Weil der Übergang zwischen Schule und Studium schwierig ist, möchten wir ihn mit Ermutigung und Unterstützung begleiten. Ein bundesweites Netzwerk von 6000 Mentor*innen unterstützt bei allen Fragen rund um die Themen „Studium“ und dessen „Finanzierung“. Wir sind in 75 Städten vor Ort Ansprechpartner*innen für Ratsuchende und gleichzeitig Vorbild mit unserer eigenen Bildungsgeschichte. Das heißt, auch wenn man als Studierender später in Hildesheim oder Mainz landet, findet man dort persönliche Ansprechpartner*innen von ArbeiterKind.de. Es gibt Eins-zu-eins Mentoring, das unter Umständen auch durch das gesamte Studium bis in den Berufseinstieg begleiten kann. Wir freuen uns über unseren riesigen Wissenspool, den wir oft über den zweiten Bildungsweg und auf Umwegen angesammelt haben und den wir gerne zur Verfügung stellen. Neben den ganz praktischen Fragen zum Studium gibt es auch mentale Herausforderungen. Viele Studierende aus Nicht-Akademiker-Familien fühlen sich zunächst fremd an der Hochschule; hier ist der Austausch mit „Arbeiterkindern“ oft sehr entlastend.
Wir haben in unseren Regionalgruppen vor Ort viel Wissen, sind aber nicht spezialisiert auf das Thema Studium mit Sehschädigung oder Blindheit, dafür gibt es unsere Kooperationspartner an den Unis/ Fachhochschulen und den Selbsthilfeverband DVBS, die wir gerne empfehlen können.
Unsere Marburger Gruppe ist erreichbar unter marburg@arbeiterkind.de oder bei Facebook unter: https://www.facebook.com/ArbeiterkindGruppeMarburg/ oder über das Info-Telefon: 030-679 672 750.
[Mentorin bei Arbeiterkind.de]