Mit DJ Bobo auf der Schreibmaschine
Digitaler Schulalltag im Jahr 2000
Digitales Lernen und digitale Barrierefreiheit sind im Coronajahr 2020 besonders stark in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Auch bei uns in der blista-News. Doch wie sah der digitale Schulalltag eigentlich vor zwanzig Jahren aus? Isabella Brawata und Thorsten Büchner haben im Jahr 2000 Abitur an der Carl-Strehl-Schule gemacht und erinnern sich.
Isabella Brawata
Ich wurde von der 5. bis zur 11. Klasse auf dem Heinrich-Hertz-Gymnasium in Hamburg regelbeschult und kam zur 12. Klasse an die blista. Man denkt, dass 20 Jahre noch nicht so lange her sind, aber, wenn ich an die Zeit zurückdenke, fühle ich mich wie eine Großmutter. Ich bin mir darüber bewusst geworden, wie groß der technische Fortschritt seit damals zu heute ist, als ich die Homeschooling-Tipps in der letzten blista-News las. Ich habe in meiner Schulzeit erst auf einer mechanischen, dann auf einer elektrischen Schreibmaschine meine Klassenarbeiten geschrieben. Beide waren stumm, sodass ich mich immer beim Schreiben höllisch konzentrieren musste, weil ich das Geschriebene nicht nachlesen konnte. Später bekam ich endlich einen Laptop mit Sprachausgabe und freute mich riesig. Allerdings war die Computernutzung eine ganz andere als heute. Dinge wie Internet, Intranet, Lernplattformen, kabellose Datenübertragung, sogar E-Mails, kamen im Schulalltag noch nicht vor. An der blista war es für mich immer sehr aufregend und fast ein wenig feierlich, wenn ich einen Computer nutzen konnte, denn er wurde nur zu ganz besonderen Anlässen verwendet, nämlich für das Schreiben von Klausuren. Wir hatten auch noch keine eigenen PCs, sondern nutzten die Geräte im EDV-Raum. Für den Schulalltag spielten PCs noch überhaupt keine Rolle. Die Lernmaterialien bekam ich in Punktschrift oder auf Kassette und die Hausaufgaben schrieb ich auf meiner Punktschriftmaschine. Internetrecherchen für Schulaufgaben waren damals noch nicht erforderlich. Für mich war damals der Computer daher nicht mehr als eine sprechende Schreibmaschine, die Texte lesen konnte.
Thorsten Büchner
Eine meiner einprägsamsten Erinnerungen an mein erstes blista-Schuljahr 1993 spielt sich im Schreibmaschinenraum ab. Unsere siebte Klasse sitzt an elektronischen Schreibmaschinen und tippt zum Takt von DJ Bobo im Rhythmus. Auch ich habe meine ersten Klassenarbeiten auf Schreibmaschinen oder gar mit Stift und Papier geschrieben. Wir waren allerdings die erste blista-Klasse, die schon in der Jahrgangsstufe 8 an den PC durfte. So wurden wir 1994 schon im kombinierten Deutsch- und Textverarbeitungsunterricht an die Geheimnisse des Computers und der damit verbundenen Chancen für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung herangeführt. MS-DOS, Word 5 und heute nahezu vergessene Screenreader waren die Zauberworte der damaligen Zeit. Wir lernten erstmals so etwas wie „Internet“ kennen, damals aber nur eine Plattform, die auf blista-Rechnern verfügbar war und noch nichts mit dem heutigen Zugriff aufs „World Wide Web“ zu tun hatte. Beeindruckend war das aber allemal, weil wir damals schon Zeitungsmeldungen am Rechner lesen konnten. Der Computer nahm ganz langsam immer mehr Platz im schulischen Alltag ein, spielte aber eher noch eine Nebenrolle. Im Textverarbeitungsunterricht und bei Klausuren sah das aber schon anders aus. Zum Schluss, als es ans Abitur ging, schrieben wir alle unsere Klausuren auf schuleigenen Rechnern. Unsere Aufgaben erhielten wir aber nach wie vor in Schwarz- oder in Punktschrift, gelegentlich sogar auf Kassetten. Manchmal kam es auch vor, dass die Aufgabenstellung zu Beginn der Klausur laut vorgelesen wurde. Und so manche Klausurnote wurde von Georg Bender, der damals mit Werner Liese das Herz und den Kopf des Elektroniklabors der blista bildete, gerettet. Er erweckte hoffnungslos abgestürzte Computer wieder zum Leben. Stets verbunden mit dem Hinweis: „Das nächste Mal speicherst du aber ein bisschen früher ab.“