Buchtipps

Das Buchcover zeigt zwei Kinder, ein aufgeschlagenes Buch, eine Uhr, einen Papageien und eine Schachfigur

Farbenfrohe Dunkelheit

„Farbenfrohe Dunkelheit“ ist eine Sammlung von kurzen Texten und Gedichten, herausgegeben von Dieter Kleffner unter tatkräftiger Mitwirkung von – wenn ich richtig gezählt habe - 28 blinden und sehbehinderten Autor*innen. Auf der Rückseite des Buchcovers steht zu lesen: „Von humorvollen Anekdoten, ergreifenden Biografien, niedlichen Tiergeschichten, knallharten Short-Krimis, anspruchsvoller Philosophie bis zu poetischen Versen streift jeder Leser in diesem Buch mit Gewissheit sein Lieblingsgenre.“ Insgesamt geben sich ungefähr 70 Erzählungen, Gedichte und Krimis auf diesen 286 Seiten ein Stelldichein. Die einzige verbindende Gemeinsamkeit zwischen ihnen besteht in der Sehbeeinträchtigung der Autor*innen.

Beim Lesen habe ich mir folgende Notizen gemacht: Es ist wie auf einem Wühltisch. Wann kommt endlich die eine geniale Geschichte mit dem gewissen Extra? Leider gibt es nur wenige Perlen. Weiter habe ich notiert: Schade, einige gute Ideen, die mehr verdient hätten. Und am Ende habe ich mir noch gedacht, dass vielen Autor*innen vielleicht der Mut fehlte, einmal aus dem konventionellen Erzählstil auszubrechen. Dann ging mir noch durch den Kopf: Die Qualität schwankt sehr. Die Geschichten sprengen selten die Erwartungen.

Wie ergänzte dann noch meine Frau: Einfach gehalten, überfordert die Lesenden auf keinen Fall. Also mein Urteil: Da ist noch Luft nach oben – aber, kann man durchaus lesen.

 

Das Buchcover zeigt einen blinden Mann vor einem Zug

„Trotz seiner schweren Krankheit“ – Die Welt aus der Sicht eines Blinden - Simon Kuhlmann

Steigen wir mit einer für das Buch typischen Anekdote ein: „Ich bin in meinem Leben schon viele Male mit dem Taxi gefahren, vor allem während der Schulzeit, denn da wurde es vom Landschaftsverband bezahlt (…). Richtige Unfälle blieben mir mit dem Taxi Gott sei Dank erspart, obwohl ich gleich zwei Fahrer hatte, die mir gegenüber mal zugaben, übermüdet zu sein. Einer davon war ein Türke, bei dem ich leider immer versäumt habe, aufzuschreiben, was er so alles von sich gab. Eine Sache weiß ich noch. Da meinte er zu mir, dass er gerne wie meine Eltern und ich auf dem Land leben wolle. Begründung: "Gehst du raus, nimmst du Pistole, bum hast du Fleisch."  

„Begleiten Sie den 1978 blind geborenen Simon Kuhlmann auf einer Zugreise, in deren Verlauf er sich an Anekdoten aus seinem Leben erinnert und seinen Gedanken nachhängt. Am Ende der Lektüre wissen Sie einiges über den Autor, einiges über die Blindenwelt und Sie haben einige Male geschmunzelt oder sogar herzhaft gelacht“ - so der Klappentext.

Kuhlmann gibt dem Leser auf seiner „Zugreise“ eine Führung durch sein bisheriges Leben und eine Einführung in das Leben eines blinden Menschen, wobei er erzähltechnisch ein besonderes Augenmerk auf die Situationen legt, in denen er auf ahnungslose, nur mit ihren Vorurteilen bewaffnete, sehende Mitbürger*innen trifft. Kuhlmann macht eine offene und ehrliche Bestandsaufnahme seines Alltags, den er als blinder Mann ohne Superkräfte und besondere Fähigkeiten zu bewältigen hat, der die Farben seiner Kleidung weder erschmecken, noch erriechen und auch nicht ertasten kann. Wer eine unterhaltsame Einführung in die Erlebniswelt Blindheit in Form von Infotainment sucht, dem kann man das Buch durchaus empfehlen – auch wenn die Geschichte zum Ende hin etwas ausfranst. Kuhlmann ist übrigens auch einer der Kurzgeschichtenautor*innen in der nebenstehenden Anthologie.

P.S. Auch die kürzlich verstorbene Frau Muth, ein blista-Original, hat in diesem Buch einen kurzen Auftritt. Wer Frau Muth einmal selbst erlebt hat, der wird sie, wie Simon Kuhlmann, niemals vergessen – RIP!A