Unterricht in Bewegung
Die Fachoberschule Gesundheit bietet einen gelungenen Mix aus Theorie und Praxis
Dr. Imke Troltenier | Inhaltlich ging es im Erdkundeunterricht in der Klasse 6 um das Weltall, den Kosmos, das UNIVERSUUUUM! Die Schülerinnen und Schüler beteiligten sich lebhaft und trugen ihr Wissen zusammen. Die einen wippten derweil, die anderen rollten vor und zurück, einer hopste im Rhythmus, mit dem er die Tasten der Braille-Schreibmaschine anschlug.
Im Rahmen ihrer Ausbildung an der Fachoberschule Gesundheit (FOG) richteten fünf Zwölftklässler unter Leitung von Lehrerin Barbara Zink sowie der Unterstützung der Lehrerin Angelina Landau ein zweitägiges Gesundheitsprojekt für die Klasse 6 der Carl-Strehl-Schule aus.
Der erste Tag stand unter dem Motto „Sport und Bewegung“ und so durften die Sechstklässler ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn man während des Erdkunde-Unterrichts nicht auf einem Stuhl, sondern auf einem großen Pezziball sitzt.
Die im Anschluss an den Unterricht von den Zwölftklässlern eingeholte Resonanz war ein einhelliges „Cool!“ Man könne auf den Bällen schaukeln, das sei viel lustiger, im Übrigen bequemer und im Rhythmus der Tasten gehüpft, ließe es sich ohnehin vergnüglicher arbeiten.
Anschließend zeigten die Zwölftklässler ihren jungen Mitschülern, wie man sich zu zweit bestens entspannen kann: Die Kinder legten sich bäuchlings auf Matten und die Partner rollten beispielsweise einen Tennisball über Rücken und Beine. Auch hier überzeugten die Schülerinnen der FOG durch ihr wohlüberlegtes, klar strukturiertes Vorgehen und die Kunst der Motivation.
Am zweiten Tag ging es um das Thema „Ernährung“ und so zählte ein gesundes Frühstück zu den Bestandteilen des Projekts. Nach dem gemeinsamen Essen brachte die wiederum pädagogisch gekonnt organisierte Feedback-Runde eine Meinungsvielfalt zutage. Sie reichte von: „Richtig lecker, vier Mandarinen habe ich gegessen, zwei Brote, ziemlich viel Paprika mit Kräuterquark und Gurke“ über „Orangensaft, Salamibrot und Gemüse“ und „Brot und Rohkost, das entspricht eher meinem üblichen Abendessen“ bis zu „Sonst esse ich immer Nutellabrot mit Banane und Kakao, das schmeckt mir eigentlich besser“.
Anschließend hatten die FOGler Küchenchef Peter Wiersbin eingeladen, um den Fragen der Sechstklässler Rede und Antwort zu stehen. … die einen wippten, die anderen rollten vor und zurück, lebhaft und engagiert wurden die vielfältigen Aspekte gesunder Ernährung beleuchtet.
Projektarbeit im Rahmen der FOG
Wie haben die Zwölftklässler ihr zweitägiges Gesundheitsprojekt auf die Beine gestellt? Und wie haben sie es geschafft, in der lebendigen Klasse das Interesse der Jüngeren zu gewinnen? Jeanne und Hanna berichten: „Gleich nach den Herbstferien fingen wir an, das Projekt zu planen und die Absprachen mit der Schul- und Internatsleitung und der Klassenlehrerin sowie die Information für die Eltern zu organisieren.“ Ausführlich habe man sich im Vorfeld im Unterricht mit den möglichen Inhalten in den beiden Themenfeldern „Ernährung“ und „Sport und Bewegung“ sowie mit dem aktuellen Thema „Bewegte Schule“ auseinandergesetzt, Ideen gesammelt, selbst ausprobiert und sorgfältig ausgearbeitet. Damit man zum Beispiel die Anleitungen für die Entspannungsübungen so formuliert, dass sie für Sechstklässler klar verständlich sind. Damit in der „Bewegten Pause“ ein Spiel für die sehenden, sehbehinderten und blinden Klassenkameraden gleichermaßen spannend wird. Oder damit man beim Thema „Ernährung“ als Hintergrundwissen auch Organe und biologische Prozesse erklärt.
„Das Gesundheits-Projekt war eine coole Erfahrung“, sind die Zwölftklässler sich einig: „Die zwei Tage waren einfach super. Wir dachten zuerst, wir haben mega viel Inhalt und dann war aber Flexibilität ganz wichtig. Für die Diskussionen hatten wir zum Beispiel eine Stunde eingeplant, dann waren die Sechstklässler schon nach 15 Minuten auf dem Punkt. Da haben wir uns in den Pausen kurz abgesprochen und spontan ergänzt, umgestellt und geändert. Wir hatten ja genug Ideen gesammelt.“ „Wie eine Klasse reagiert, das ist oft nicht abzusehen, das habt ihr problemlos gemeistert“, lobt Barbara Zink und ergänzt: „Auch die Idee: ‚Wir nehmen denen die Stühle weg und probieren es mit den Pezzibällen‘, kam von den Schülerinnen. Oh je, habe ich zuerst gedacht. Ob die Bälle nicht zum Unfug machen anregen und durch die Klasse fliegen?“
„Spannend war es zu sehen, was dann passierte“, erzählen Jeanne und Hanna: „Die ‚Kleinen‘ konnten sich nämlich viel besser konzentrieren, als sie auf den Pezzibällen saßen. Sie haben ihre Energie beim Wippen und Rollen abgebaut und nicht so viel Quatsch gemacht. Wir haben die Bälle dann die ganzen zwei Tage in der Klasse belassen. Die Schüler haben in der Abschlussrunde gesagt, dass sie jetzt sogar bei der Klassenlehrerin Pezzibälle statt der Stühle beantragen wollen.“
Warum die zwei sich für die Fachoberschule Gesundheit entschieden haben? „Ich war erst auf dem beruflichen Gymnasium, weil mich der Bereich Gesundheitstourismus interessiert, aber das Fach „Wirtschaft“ ist nicht mein Ding. Da lag die FOG als Alternative nahe. Im Praktikum hat mir dann die Physiotherapie enorm viel Spaß gemacht und ich habe auch gemerkt, dass ich richtig gut darin bin. Das Schöne ist, in dem Beruf kann ich auch arbeiten, wenn sich mein Sehen durch die Augenkrankheit verschlechtern sollte“, erzählt Jeanne. Für Hanna lag die Entscheidung von Anfang an fest, denn sie möchte Köchin werden und da passt die FOG gut. Auch ihr hat das Praktikum in der Großküche die Sicherheit gegeben, einen Weg zu gehen, der genau zu ihren Interessen und Fähigkeiten passt.
Zukunftsorientierter Bildungsweg an der Carl-Strehl-Schule
Vor zwei Jahren ging der zukunftsorientierte Bildungsweg an der Carl-Strehl-Schule an den Start. Er ist speziell auf die Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern zugeschnitten. In Kooperation mit dem Bildungsinstitut für Gesundheit und Soziales in Mainz (BFW) verknüpft die Fachoberschule Gesundheit (FOG) die schulische Bildung und Förderung der jungen Menschen mit inklusiven Praxiserfahrungen im Arbeitsmarkt.
„Die Kooperation mit Mainz bewährt sich hervorragend“, sagt die Leiterin der Fachoberschule, Martina Dirmeier. „Das besondere an unserem Konzept ist, dass anders als bei anderen Ausbildungen im Gesundheitswesen unsere FOG einen gelungenen Mix aus Theorie und Praxis bietet. In enger Kooperation bietet das BFW Mainz das erste, 3-monatige Praktikum mit fachpraktischem Unterricht an. Dabei dürfen die jungen Leute bereits direkt an den Klienten arbeiten. Das zweite Praktikum ist frei wählbar. Hier stehen die Praxiserfahrungen im Mittelpunkt, so dass sich die Lernenden unmittelbar auf ihr Praktikum konzentrieren können. Man ist dann quasi mitten im Berufsleben.“
Auch der schulische Bereich der FOG ist praxisorientiert ausgerichtet, hier geht es neben den allgemeinen Fächern um Schwerpunktthemen aus dem Gesundheitsbereich wie zum Beispiel Gesundheitslehre, alternative Heilverfahren und Ernährung. Die Gesundheitstage mit den Sechstklässlern der blista zählen zu den selbst organisierten Projekten in diesem Bereich.
Im Sommer 2018 war es soweit, die ersten sechs Absolventen meisterten ihre Prüfungen allesamt erfolgreich. Die Hälfte von ihnen entschied sich für eine anschließende Ausbildung zum Physiotherapeuten in Mainz. Die andere Hälfte orientierte sich in Richtung eines Studiums oder einer Ausbildung.
Grundsätzlich ist das Gesundheitswesen ein zunehmend beliebtes Arbeitsfeld. Die Zahl der Arbeitsplätze wächst hier rund dreimal so stark wie in der Gesamtwirtschaft. Die Aufgabenfelder sind vielfältig, denn in unserem Gesundheitssystem wird einerseits ein gutes Verständnis für medizinische Vorgänge als auch andererseits ein Überblick über die Strukturen verlangt. Die neue Fachoberschule Gesundheit nimmt diese Entwicklung auf und bietet eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage. Die FOG schließt mit der allgemeinen Fachhochschulreife ab und eröffnet den Zugang zu allen Fachhochschulen und vielen Universitäten. Für nähere Informationen: www.blista.de/FOG.
[Fotos: Troltenier]