Gedanken einer Abiturientin
- Erwachsen werden, bedeutet nicht, dass man aufhören muss, Kind zu sein”
- Egal was du tust, du machst immer etwas falsch, also lass es lieber gleich.
- (Und das ist wichtig in Verbindung mit 2.) Für absolut – ABSOLUT – alles gibt es eine Ausrede!
Mit dieser beeindruckenden Ansammlung an überlebenspraktischen Fertigkeiten im Gepäck bin ich bisher recht gut gefahren und deshalb habe ich beschlossen, auch in Zukunft auf Bewährtes zu setzen. „Chef, ich konnte die Präsentation leider nicht ausarbeiten, … mein Nervenkostüm war mal wieder in der Reinigung“.
Wahlweise lassen sich diese Erkenntnisse auch wunderbar miteinander kombinieren: „Du Schatz, ich habe vergessen, wo ich das Baby hingelegt habe, es tut mir leid, du weißt ja – ich bin zu 75% Tomate“.
Apropos Zukunft: wir werden ja immer gefragt, was wir denn für Pläne haben. Ich antworte dann immer genau das, was ich vor zehn Jahren schon gesagt hätte: … Astronaut! Das liegt vor allem daran, dass es im All wahrscheinlich wesentlich weniger Menschen gibt, die mir die Frage stellen könnten, was ich denn nun eigentlich mit meinem Leben anfangen möchte.
Überhaupt muss ich seit dem Abitur feststellen, dass für viele Erwachsene „morgen“ nicht einfach mehr nur noch der Tag nach heute ist. Ihnen scheinen im Nachhinein einfach viel zu viele Dinge eingefallen zu sein, die sie in der „Erziehung“ versäumt haben.
Ich gebe ja durchaus zu, dass beispielsweise meine Fertigkeiten im Kochen sich immer noch darauf beschränken, Milch über das Müsli zu kippen, dass Zimmerpflanzen, die man nicht rauchen kann, keine hohe Lebenserwartung bei mir haben und dass die Karriere als Gespensterjäger mir auch immer noch wesentlich lukrativer scheint als die eines Büroangestellten … und wäre dies eine dieser romantischen Ansprachen, würde an dieser Stelle wahrscheinlich so etwas kommen wie „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“, aber letztendlich haben die meisten von uns ihre Weltherrschaftspläne nach der Erkenntnis des Mangels an mathematischem Verständnis schon in der Unterstufe verworfen.
Jetzt hast du entweder einen Plan oder du hast eben keinen; denn Pläne MACHEN und überhaupt Selbstzweifel im Allgemeinen machen verständlicherweise denkbar unsexy. Ich selbst allerdings habe einerseits einfach keine Lust, mir von notorischen „Man-lebt-nur-einmal“-Menschen ständig Standpauken anzuhören, warum ich denn jetzt um vier Uhr nachts schon ins Bett will, und andererseits hab ich eben auch doch so viel Schiss, dass ich meine Pläne zweimal am Tage ändere – und zwar noch vor dem Frühstück.
Aus diesen Gründen begnüge ich mich gerade einfach damit, jetzt erstmal morgens unglaublich lange auszuschlafen. Nebenbei bemerkt stelle ich es mir nämlich auch ganz schön vor, samstags abends mal nur gemütlich mit ein paar Freunden auf dem eigenen Balkon zu sitzen und den Kleinen in der Verwandtschaft beim Wiedersehen mit einem liebevollen „Neiiiin, was bist du groß geworden!“ in die Wange zwicken zu können.
Aber mal ernsthaft, ich hab keinen Plan B, weil ich noch nicht mal einen Plan A hab. Ich hab verdammt Schiss, weil ich mich viel zu sehr darauf verlasse, dass jemand aus meinem Freundeskreis schon Steuerberater … oder Anwalt oder Elektriker werden wird. Und ich hab Schiss, dass ich dann alleine auf Gespensterjagd gehen muss. Ich hab Angst, dass ich zu wenig von der Welt entdecken kann oder dass ich genug von ihr entdecken kann und mich das dann trotzdem nicht glücklicher oder weiser oder zumindest gelassener macht.
Ja, ich hab keinen Plan B, ich hab so viele Zweifel, aber … ich hab auch ein paar Ideen und eine ganze Menge Fragen und ein bisschen Fantasie. Ich hab Fernweh und Wissensdurst und oft zu viel Melancholie. Und ich hab ja auch ein noch wenig Zeit und eigentlich nichts zu verlieren. Aber vor allem hab ich eine Telefonliste mit Nummern von Leuten, denen ich gar nicht erst die Chance geben werde, mich zu vergessen.
Und irgendwas macht man doch immer falsch, also mach ich´s vielleicht einfach so, wie ich mir das vorgestellt hab und steh dann mal dazu. Wie sagt man so schön:
„Niemand hat gesagt, dass erwachsen werden bedeutet, dass man aufhören muss, Kind zu sein“.
Wenn euch also heute jemand fragt, was ihr denn nun werden wollt, dann antwortet am besten einfach: „Ich bin doch schon was! Ich weiß zwar nicht genau was, aaaber das kriegen wir sicher irgendwie auch noch raus“.
Zur Autorin:
Nicole Rieger wurde 1996 in der Eifel geboren. Sie besuchte zunächst eine Regelschule und war von 2011 bis zu ihrem erfolgreich absolvierten Abitur 2015 Schülerin der Carl-Strehl-Schule. Ihre Leistungskurse waren Deutsch und Englisch. Ab Herbst möchte Nicole in Marburg Sozialwissenschaften studieren.