Mein Sieg beim Schreibwettbewerb der EBU
Till Zipprich* - Es muss irgendwann im Mai 2016 gewesen sein, als ich das erste Mal vom Schreibwettbewerb der Europäischen Blindenunion, kurz EBU, hörte. Das heißt, eigentlich wird dieser Wettbewerb von OnkYo, einem japanischen Druckerhersteller, organisiert und in Europa von der EBU durchgeführt. Die wiederum ruft die Blindenverbände der einzelnen Länder zum Mitmachen auf. So zum Beispiel auch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV). Und diese Verbände geben dann ihren Mitgliedern Bescheid.
Daher erreichte mich dann also der Aufruf, einen Text zum Thema Punktschrift zu schreiben. Dieser musste weniger als 2000 Zeichen haben, in Deutsch verfasst sein und bis zum 1. Juni 2016 an den DBSV gesendet werden. Man konnte entweder per Post oder per E-Mail teilnehmen.
War man unter den besten fünf Einsendungen eines Landes, wurde der Text an die EBU weitergegeben. Und dort wurden an die besten Autoren Preise von unterschiedlich hohem Wert verliehen. Der erste Preis ist mit 2000, der zweite Preis mit 1000 und der dritte Preis mit 500 US-Dollar dotiert. Platz 1 wird nur an Erwachsene über 25 Jahren verliehen, für den zweiten Platz gab es eine Juniorenkategorie für alle unter 25 und eine Seniorenkategorie für alle über 25 Jahren und Platz 3 gab es zwei Mal für Junioren und zwei Mal für Senioren.
Von meiner Kurzschriftlehrerin dazu ermutigt, schickte ich also folgenden Text an den DBSV:
„Sechserpack“: Was mir die Brailleschrift bedeutet
Hallo Louis,
auch wenn Du ganze 195 Jahre älter bist als ich, haben wir doch etwas gemeinsam: Ich habe nämlich genau wie Du an einem 4. Januar Geburtstag. Vielleicht lerne ich ja deshalb so gerne immer neue Punktschriftzeichen. Vielleicht aber auch, weil es mich fasziniert, dass wir nur sechs Punkte zum Schreiben benötigen, während in der Schwarzschrift gerade und schräge Striche, halbe und ganze Kreise und manchmal auch Punkte verwendet werden. Von den völlig verschiedenen Groß- und Kleinbuchstaben mal ganz zu schweigen. Wie ein Koch, der aus seinen Zutaten immer neue Gerichte zaubert, setzen wir aus unseren sechs Punkten Buchstaben, Satzzeichen, Zahlen und Musiknoten zusammen. Und nicht nur das, wir haben sogar eine richtige Geheimschrift, in der wir Wörter mit nur einem oder zwei Zeichen schreiben können. So kann ein Punktschriftler, der die Kurzschrift schreibt, schneller schreiben als ein Schwarzschriftler. Das ist genial und praktisch, wenn man alle Regeln beachtet. Sonst kommen nämlich viele komische Wörter heraus. Wenn ich mir nun vorstelle, wie Brailleschrift wohl in Chinesisch aussehen mag, wo die Betonung der Wörter eine große Rolle bei der Bedeutung spielt, denke ich im ersten Moment, dass es bestimmt verdammt schwer ist, die verschiedenen Zeichen richtig zu deuten. Aber dann muss ich lachen, denn genauso rätselhaft wie mir Chinesisch erscheint, kommt vielen Sehenden wohl meine Schrift vor. Wenn ich ihnen dann aber das Prinzip Deiner Idee erkläre, können die meisten bald einzelne Wörter entziffern. Es muss ja nicht gleich der Donaudampfschifffahrtskapitän sein. Graf Zeppelin hat einmal gesagt, man muss nur wollen und daran glauben, dann wird es gelingen. Ich glaube, das ist auch mit der Punktschrift so. Es hat sich in diesen rund 200 Jahren so einiges verändert, was Du Dir wahrscheinlich gar nicht vorstellen kannst. Wir können mit Autos, Fahrrädern oder Zügen fahren, wir können uns per Telefon mit Leuten auf der ganzen Welt unterhalten und wir können alles, was wir wissen wollen, im Internet nachschauen. Es hat sich also ziemlich viel getan, aber Deine Erfindung wird noch heute genutzt und sogar weiterentwickelt. Weil die 64 möglichen Zeichen nicht mehr ausgereicht haben, hat man einfach noch zwei Punkte dazu genommen. So hat man viermal so viele Zeichen wie früher. Ja sogar ganze Schulen und Feste sind nach Dir und Deiner Erfindung benannt. Es sind zwar immer neue Zeichen oder Punkte dazugekommen und jede Sprache hat ihre eigenen Sonderzeichen und Kürzungen, aber irgendwie leitet sich noch immer alles von Deiner Idee ab und genau diese Idee, Louis, diese Idee war echt toll von Dir. Oder wie wir es heute sagen würden: „Daumen hoch! Like!“
Viele Grüße aus Stuttgart (Deutschland)
Dein Till
Nun hieß es abwarten. Denn die Entscheidung wurde erst im Dezember bekannt gegeben. Doch eines Tages schaute meine Mutter mal wieder nach dem Wettbewerb und wie er denn ausgegangen sei und da sah sie es: Ich hatte einen der mit 500 Dollar dotierten Preise gewonnen. Das sind umgerechnet mehr als 450 Euro. Außerdem gehört zu meinem Gewinn noch ein Andenken im Wert von 50 Dollar.
[* Schüler der Carl-Strehl-Schule, 7. Klasse, Foto: blista]
Bildunterschrift: Till Zipprich gewann beim EBU-Schreibwettbewerb mit seinem Beitrag einen Preis.