Berufsorientierung BOSS – „ein super Angebot der blista“
Kooperationsvertrag mit ArbeiterKind.de unterzeichnet
Dr. Imke Troltenier * BWL, Jura, Sprachen, Psychologie, Geschichte, IT – oder besser erst ein Berufsorientierungsjahr im Ausland? Was erwartet ihr von einem Studium? Warum interessiert ihr euch für dieses Fach …? Auch in diesem Jahr sind wieder viele ehemalige Blistanerinnen und Blistaner, Fachleute, Studienberaterinnen und -berater zum „BOSS-Tag“ an die blista gekommen, um die Oberstufenschülerinnen und -schüler der Carl-Strehl-Schule zu informieren und zu beraten.
Neben der Fachlichkeit, den Berufsfeldern und Verdienstmöglichkeiten geht es dabei auch gezielt um die spezifischen Herausforderungen in Ausbildung, Studium und Beruf, mit denen sich junge Leute mit einer Sehbeeinträchtigung auseinandersetzen müssen. Denn der Name „BOSS“ steht für die Berufsorientierung von jungen Leuten mit Blindheit und Sehbehinderung.
Klug organisieren
„Ich rate euch, aktiv zu werden, die Dozenten anzusprechen und euch gleich von Anfang an selbst zu kümmern“, so das einhellige Votum der Beratenden. Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen seien genauso wichtig, wie miteinander zu reden, denn als Einzelkämpfer zu studieren, das sei sehr schwer. Das Leben nach der blista erfordert ein gutes Maß an Selbstständigkeit und Initiative, da wird kein Blatt vor den Mund genommen. Barrierefreie Vorlesungen, Lernplattformen und -materialien zählen noch keineswegs zu den Selbstverständlichkeiten der Lehre. Gleichwohl gibt es an vielen Universitäten und Fachhochschulen Service-Einrichtungen, die junge Leute mit Einschränkungen gezielt unterstützen und etwa im Hinblick auf die Beantragung von Assistenzkräften beraten.
Auf Menschen zugehen
Rund 45.000 km legte Axel Duensing, der im letzten Jahr an der blista sein Abitur abgelegt hatte, zwischenzeitlich in Kanada zurück. Sieben Monate „woofften“ er und seine Freundin in British Columbia und Alberta, d. h., sie arbeiteten auf unterschiedlichen ökologischen Farmen. Weitere 5 Monate nutzten die beiden, um kanadische Nationalparks zu erkunden. Mit Semesterbeginn hat er ein Studium der Agrarwissenschaften aufgenommen. Dass er mit der Farmarbeit bereits das für sein Studium erforderliche Vorpraktikum nachweisen konnte, war Teil seiner klugen, zugleich aber auch aufwendigen Vorab-Organisation: „Seit 2013 haben wir diese Reise geplant, da ging es natürlich auch um so lästige Fragen, wie das Versicherungsrisiko blinder Personen bei Auslandsreisen …“, erzählt Duensing. Aber es habe sich gelohnt. „Am meisten fasziniert hat mich ein blinder Farmer, den wir dort kennengelernt haben. Er hält Ziegen, produziert Käse und verkauft ihn auf den Märkten der Umgebung. Alles selbstständig und selbstbestimmt. In diesem weiträumigen Land gibt es ja keine Nachbarn, die in Notfällen gleich zur Stelle wären.“ Über seine Auslandserfahrungen hat er in einem Blogg berichtet. Seine Bilanz ist klar: „Auf jeden Fall machen! Man lernt, auf Menschen zuzugehen und lernt tolle Menschen kennen.“
Kooperationsvertrag mit ArbeiterKind.de unterzeichnet
An junge Leute, die als Erste in ihrer Familie studieren, richtet sich die Initiative ArbeiterKind.de. Die Mitglieder unterstützen Schülerinnen und Schüler bundesweit vom Studienbeginn bis zum erfolgreichen Studienabschluss und Berufseinstieg ehrenamtlich. Julia Dolscheid, Projektkoordinatorin Gießen, und Schulleiter Joachim Lembke nutzten die Gelegenheit der Vertragsunterzeichnung, um für die bereits langjährige hervorragende Zusammenarbeit zu danken. blista-Ansprechpartner für Arbeiterkind.de ist der Verantwortliche der BOSS-Angebote, Christian Hinrichs.
Vielfältige Berufswege im Bereich der IT
Über die vielfältigen Berufswege im Bereich der IT berichtet der ehemalige Blistaner Michael Kreutzer. Für seine Promotion just mit summa cum laude ausgezeichnet, forscht und arbeitet er nun als Dozent und ist vermutlich bislang der erste und einzige blinde Ingenieur in Deutschland: „Informatik durchdringt zunehmend unsere Gesellschaft, in fast jedem Gerät ist mittlerweile Software drin, die Zukunftschancen in dem Bereich sind riesengroß.“
Anhand von Beispielen macht Kreutzer deutlich, dass in der Informationstechnologie die Nachteile durch Seheinschränkungen vergleichsweise gering sind und sich durchaus auch mal Vorteile ergeben: „Ein ganz banales Beispiel ist das 10-Finger-Schreiben. Das haben wir an der blista alle gelernt, das ist ein Vorsprung, darüber hinaus kann’s kaum einer.“
Die Oberstufenschülerinnen und -schüler freuen sich über die vielen Tipps und die Bereitwilligkeit der Ansprechpartner, ihnen für Fragen beiseite zu stehen. „BOSS ist ein super Angebot der blista“, bestätigt eine der Teilnehmenden und ihre Freundin schließt sich an: „Jetzt bin ich in der 13. Klasse und weiß schon recht genau, was ich will. Im letzten Jahr war ich aber bereits auch dabei.“
[*Leitung Öffentlichkeitsarbeit, Fotos: Dr. Imke Troltenier]