Ein Fluss fließt durch Marburg
Tobias Mahnke | Dass Marburg an der Lahn liegt, ist hinlänglich bekannt. Welche Geheimnisse dieser Fluss jedoch bietet, wie reich der Lebensraum Fließgewässer ist und welchen Einfluss der Mensch auf diesen Reichtum hat, hat der Biologie-Leistungskurs mit zwei Exkursionen vor Ort erkundet.
Zunächst ging es an die Lahn in Marburg; selbstverständlich nicht, ohne die heimische Speiseeisindustrie zu unterstützen. Die Renaturierungsmaßnahmen auf Höhe des Finanzamtes, der künstlich angelegte Strand bei der Elisabethbrücke oder die Maßnahmen im Zuge der Kanalisierung auf der Ostseite des Flusses wurden mit den vorher im Unterricht theoretisch erarbeiteten Inhalten abgeglichen. Und tatsächlich: Die Artenvielfalt, die in den naturnah gestalteten Gebieten anzutreffen war, war bedeutend höher, als auf der Ostseite des Flusses. Dort dominierte vor allem die Klasse der Spinnentiere.
Ein paar Tage später wurde Roth (Weimar/Lahn) als Exkursionsziel angesteuert. Aufgrund des Wehres, einer unterhalb in der Strömung stehenden Brücke und vor allem des breiten Flussverlaufs und der dadurch geringen Flusstiefe ein idealer Ort, um sich den unterschiedlichen Aspekten eines Fließgewässers anzunähern. Zunächst ging es unterhalb des Wehres zu Fuß in das maximal knietiefe Wasser. Hier wurde mit der Analyse und dem Zusammenhang der abiotischen Faktoren begonnen: steiniger Boden, tieferes und kälteres Wasser in den strömungsreicheren Bereichen, sandiger Boden und flaches, warmes Wasser in den eher strömungsfreien Zonen. Bis hierhin stimmen Theorie und Praxis schon mal überein.
Weiter ging es mit der Suche nach und dem Beobachten von Lebewesen. Jungfische in den warmen Randgebieten, ältere Tiere in der Strömung. Schnecken und Muscheln, Würmer und Egel, Frösche und Wasserpflanzen… diverse Tiere und Pflanzen wurden gefangen bzw. gesammelt, beobachtet und natürlich später wieder in ihr Habitat zurückgesetzt. Besonders spannend war eine Muschel, die mit Hilfe ihres Fußes durch das Beobachtungsgefäß wanderte.
Oberhalb des Wehres bot sich ein ganz anderes Bild: Hier herrschten eher die Merkmale eines stehenden Gewässers vor. Da die Wehrkrone sehr breit und aufgrund des niedrigen Wasserstandes der Lahn trockengefallen war, konnte auf dem Wehr wie auf einem Steg direkt „in den Fluss“ gelaufen werden. Hier zeigten sich Wasserschnecken, Wasserlinsen, Libellen und Seerosen. Und als besonderes Highlight: Die Haut eines Flusskrebses! Da Seerosenblätter einige Besonderheiten in Bezug auf das „Lehrbuchstandardlaubblatt“ haben, wurde dieses Blatt besonders untersucht. Ein Fußtest bestätigte zudem, dass zumindest die Wasseroberfläche deutlich wärmer war, als in der Strömung unterhalb des Wehres.
Ob Fließ oder stehendes Gewässer: Der Einfluss des Menschen auf den natürlichen Flussverlauf war allgegenwärtig. Dennoch konnte insgesamt ein reich strukturiertes Gewässer mit einer reichhaltigen Artenvielfalt vorgefunden werden. Wir sind überzeugt davon, dass notwendige städtebauliche und Renaturierungsmaßnahmen wie in Marburg einander nicht ausschließen und -eine nachhaltige Nutzung vorausgesetzt- die Lahn als Ort der Erholung auch in Zukunft ein lohnendes Ziel ist.