Editorial

Portrait Claus Duncker
Claus Duncker © blista

Liebe Leserin,
lieber Leser,

wie kam eigentlich die Pizza nach Deutschland? Aus Italien? Nein, sondern aus Amerika, u.?a. aus New York. Die amerikanische Metropole galt immer als der Schmelztiegel der Nationen. Europäische Einwanderer landeten hier auf dem neuen Kontinent, um sich dann in diesem „melting pot“ zu einer neuen Nation zu vereinen. Mit dem Bild im Kopf kam ich dann zum ersten Mal nach New York. Mein Erstaunen war groß, als ich mich in Gegenden wiederfand, wo die Straßen­namen nur auf Chinesisch beschildert waren. Man stelle sich das mal für Berlin- Neukölln vor: Straßennamen nur auf Türkisch. Liegt die Wiege des Döners nicht in Berlin?

Es geht also beides, dachte ich – einerseits einen vielgestaltigen, bunten Strauß bilden und andererseits seine nationale und kulturelle Herkunft bewahren. Als amerikanischer Soldat eben ein italienisches Nationalgericht in Deutschland einführen.

Die Frage, wie man seine eigene Identität, seine Kultur, seine Sitten und Gebräuche mit einbringt, um ein gemeinsames Miteinander gleichberechtigt zu gestalten, wird angesichts der derzeitigen Flüchtlingsproblematik für uns eine große Herausforderung sein. Aber, ist es nicht abwechslungsreich und interessant, wenn neben dem Italienischen, das Afrikanische, das Orientalische oder das Asiatische unsere Küche erweitert?

Die Küche der blista heißt Inklusion.

Die Schullandschaft und die Gesellschaft ­verändern sich und wir müssen in diesem Veränderungsprozess Stellung beziehen. Seit vielen Jahren besuchen unsere Schülerinnen und Schüler Kurse in den Marburger Gym­nasien oder Kurse finden gemeinsam auf dem blista- Campus statt. Wollen wir dem, was eher zufällig gewachsen ist, eine Form geben? Wollen wir unsere Schule auch ­Sehenden öffnen? Oder bewahren wir unser System, was seit vielen Jahren eine optimale Förderung bedeutet?

Wir hatten vor etwa 40 Jahren bereits eine ähnliche Diskussion. Damals war die blista eine reine Blindenschule. Sollte sich damals unser Gymnasium auch sehbehinderten Schülerinnen und Schülern öffnen? Zwei Jahre dauerte die Erörterung dieses Themas. Die Entscheidung kennen wir. Aus dem Rückblick können wir einfach beurteilen, dass der damalige neu eingeschlagene Weg der richtige war.

Ob wir unsere Schule zukünftig weiter öffnen, müssen alle Beteiligten gemeinsam und ausführlich diskutieren. Denn mit dem Wohl unserer Kinder und Jugendlichen dürfen wir nicht leichtfertig umgehen. Das Für und Wider gilt es abzuwägen. Wenn dann eine Entscheidung getroffen wird, egal wie sie ausfällt, ist ein Miteinander so zu gestalten, das wir es alle als Bereicherung erleben. Was wir 40 Jahre später sagen, das werden wir dann sehen.