Zeitenwende – Spinn off

Über den Schulterrand schauen

Luca von Kopp | Wie kann man einen Auszubildenden mit einer Seheinschränkung optimal einarbeiten? Ich habe einen Sehrest von 10% auf dem linken und 2% auf dem rechten Auge und arbeite mit Schwarzschrift und Vergrößerung. Bei mir kommt es auf den Abstand an – je näher, desto besser. In meinem Tätigkeitsbereich, einem Versicherungsunternehmen, läuft nahezu alles über Bildschirmarbeit. „Guck‘ mal hier“ oder „Setz‘ dich mal neben mich und schau zu“, das geht mit sehbehinderten Auszubildenden am Bildschirm eben nicht. Man braucht eine andere Lösung, sonst besteht die Gefahr der Ablehnung des Auszubildenden durch potenzielle Ausbilder*innen. Dies ist mir selbst passiert, wie dem vorangegangenen Artikel zu entnehmen war. Aber ich hatte mit meinem Mentor Glück, der mir durch den Corona-Lockdown und das aufgezwungene Homeoffice eine Arbeitsweise aufgezeigt hat, die zwar aus der Not geboren wurde, aber auch heute noch meinen beruflichen Alltag erleichtert. Die Rede ist von der simplen Methode der „Bildschirmpräsentation“ – dies funktioniert mittels jedes Videokonferenzprogramms. Man zeigt dem Gegenüber das, was man selbst sieht, nur das jeder vor seinem eigenen Bildschirm sitzt und so ist es dabei unerheblich, wie nah der Abstand zum Bildschirm oder wie groß die individuelle Anzeige ist. Während der eineinhalb Jahre im Homeoffice nutzten mein Mentor und ich diese Vorgehensweise täglich. Ich arbeitete aktiv an den Programmen, sprich ich bediente sie und mein Ausbilder schaute live, also in Echtzeit, mit seiner Bildschirmeinstellung dabei zu, was ich gerade tat. Er konnte dabei erklären oder auch intervenieren. Auch umgekehrt funktionierte das Ganze, wenn auch nicht ganz so optimal, denn als Zuschauer konnte ich die Software ja nicht selbst aktiv bedienen, deshalb wusste ich bei neuen Lernfeldern nicht immer ganz genau, wo man etwas drücken oder einzugeben hat – ich musste also neben dem Beobachten auch immer mal nachfragen.

Mit Hilfe dieser einfachen Technik wird die digitale Arbeitswelt ohne „rück‘ mal zur Seite“ oder „mach‘ das doch mal kleiner, das ist ja riesig!“ erschließbar. Dieser Technik bediene ich mich auch heute noch, wenn ich selbst neue Kolleg*innen einarbeite. Bin ich in der Rolle des „Lehrenden“, zoome ich in den mir gezeigten Bildschirminhalt einfach hinein. Die Kolleg*innen müssen selbst nichts verändern, und ich habe keine Probleme, alles zu erkennen. Unterstützend kann man seinen „Tandempartner“ dafür sensibilisieren, nicht nur „hier“ zu sagen, sondern Angaben wie „oben rechts“ oder „der Button unten mittig“ zu machen. Voraussetzung für die volle Einsatzfähigkeit dieser Arbeitstechnik ist natürlich, dass der Auszubildende alle Zugriffsrechte und Zertifikate („Berechtigungen“) des Unternehmens auf seinem Rechner hat, sonst ist man z.B. nicht selbst in der Lage, Auszahlungen zu machen oder Angebote zu erstellen.